Ihr Lieben,

 

heute möchte ich euch einen Mann (und seine Frau Mélinée) vorstellen, der in Frankreich weltberühmt ist, den aber in Deutschland niemand kennt. Obwohl Deutsche für seinen Ruhm verantwortlich sind.  Ich will ihn euch kurz vorstellen.

 

Hier noch kurz der „Index“ dieses Posts:

 

Eine Heldengeschichte plus Liebesbrief

Textauszug aus „Morning has broken – Leben Reisen Schreiben“

Hinweis auf Ärzte ohne Grenzen

Hinweis auf einen neuen SWR 3 Podcast

Hinweis auf die Lesung in Salzgitter (MORGEN, den 9.3.)

 

Ich danke euch, herzlich, Andreas.

 

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Missak (Michel) Manouchian wurde am 1. September 1909 in Adıyaman geboren, damals ottomanisches Reich, heute Türkei. Er ist Armenier, sein Vater wird während des Genozids (1915) erschossen, die Mutter stirbt an Hunger. Mit 15 schafft er die Flucht nach Frankreich, ein Land, das er seit Langem bewundert. Er schlägt sich durch als Hilfsarbeiter, liest in jeder freien Minute, er fängt früh an zu schreiben.

     Seine Versuche, die französische Staatsangehörigkeit zu bekommen, schlagen fehl, bis zu seinem Tod bleibt er „un apatride“, ein Staatenloser. Er arbeitet als Poet, als Dreher, als Journalist, als Gewerkschaftler, als gelernter Schreiner. Er tritt 1934 der kommunistischen Partei Frankreichs bei, heiratet 1936 Mélinée Assadouria, 1940 kommen die Deutschen nach Paris und besetzten den nördlichen Teil des Landes.

       Missak tritt der Resistance bei, er arbeitet unter anderem mit Micha et Knar Aznavourian zusammen, den Eltern von Charles Aznavour. Er steigt auf, er ist ungemein tapfer, er wird Chef der „group de 23“, auch „groupe Manouchian“ genannt. Die 22 Männer und die eine Frau dieser Gruppe bestanden ausschließlich aus Ausländern, auch junge polnische Juden darunter, die aus Liebe zu Frankreich unter ständiger Lebensgefahr für die Befreiung des Landes von den Nazis kämpften.

      Die Gruppe wird verraten, in einem Scheinprozess werden alle zum Tode verurteilt. Die 22 Männer werden in Mont-Valérien (nahe Paris) hingerichtet, Olga Bancic, Jüdin und Kommunistin aus Rumänien, wird nach Stuttgart ausgeliefert und dort enthauptet.

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In einem feierlichen Festakt hat Frankreich – genau 80 Jahre später, am 21.2.2024 – dem Ehepaar Manouchian die höchste Ehre erwiesen und die beiden Särge im Namen aller 23 Exekutierten ins Pantheon überführt.

 

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Hier Missaks letzter Brief an seine Frau Mélinée, geschrieben Stunden vor seiner Erschießung – am 21. Februar 1944.

 

„Meine liebe Mélinée*, meine geliebte kleine Waise,

 

in wenigen Stunden werde ich nicht mehr auf dieser Welt sein. Wir werden heute Nachmittag um 15 Uhr erschossen. Das passiert mir wie ein Unfall in meinem Leben, ich glaube nicht daran, aber dennoch weiß ich, dass ich dich nie wieder sehen werde.

Was kann ich dir schreiben? Alles ist in mir durcheinander und gleichzeitig sehr klar.

Ich habe mich als freiwilliger Soldat der Befreiungsarmee angeschlossen und sterbe kurz vor dem Sieg und dem Ziel. Glücklich sind diejenigen, die uns überleben und die Süße der Freiheit und des Friedens von morgen genießen werden. Ich bin sicher, dass das französische Volk und alle Freiheitskämpfer unser Andenken in Würde bewahren werden. Im Moment meines Todes verkünde ich, dass ich keinen Hass auf das deutsche Volk oder auf irgendjemanden habe, jeder wird das bekommen, was er als Strafe und Belohnung verdient. Das deutsche Volk und alle anderen Völker werden nach dem Krieg, der nicht mehr lange dauern wird, in Frieden und Brüderlichkeit leben. Glück für alle …

      Ich bereue zutiefst, dass ich dich nicht glücklich gemacht habe. Ich hätte gerne ein Kind von dir gehabt, wie du es dir immer gewünscht hast. Ich bitte dich daher, nach dem Krieg ohne Schuld zu heiraten und zu meinem Glück ein Kind zu bekommen, und um meinen letzten Wunsch zu erfüllen, heirate jemanden, der dich glücklich machen kann. Meinen gesamten Besitz und alle meine Angelegenheiten vermache ich dir und deiner Schwester. Nach dem Krieg kannst du als meine Frau deinen Anspruch auf Kriegsrente geltend machen, denn ich sterbe als regulärer Soldat der französischen Befreiungsarmee.

     Mit der Hilfe von Freunden, die mich ehren wollen, wirst du meine Gedichte und Schriften, die gelesen werden, herausgeben lassen. Du wirst meine Erinnerungen, wenn möglich, zu meinen Verwandten in Armenien tragen. Ich werde mit meinen 23 Kameraden später mit dem Mut und der Gelassenheit eines Mannes sterben, der ein reines Gewissen hat, denn ich persönlich habe niemandem etwas zuleide getan und wenn, dann ohne Hass. Heute scheint die Sonne. Mit Blick auf die Sonne und die schöne Natur, die ich so sehr geliebt habe, werde ich mich vom Leben und von euch allen, meiner lieben Frau und meinen lieben Freunden, verabschieden. Ich vergebe allen, die mir wehgetan haben oder die mir weh tun wollten, außer demjenigen, der uns verraten hat, um seine Haut zurückzukaufen, und denjenigen, die uns verkauft haben. Ich umarme dich und deine Schwester und alle Freunde, die mich aus der Ferne oder aus der Nähe kennen, ich drücke euch alle an mein Herz. Adieu, Dein Freund, dein Kamerad, dein Ehemann. Michel.“

 

*Mélinée wurde nicht hingerichtet, konnte sich, da rechtzeitig gewarnt, verstecken. Hat später ihre Arbeit als Widerstandskämpferin wieder aufgenommen. Sie starb Ende der achtziger Jahre. Als Witwe, sie fand keinen, der es mit Missak hätte aufnehmen können.

 

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Hier noch ein paar Zeilen aus „Morning has broken – Leben Reisen Schreiben“

 

„…. Darf ich mich kurz als Menschenkenner aufspielen? Tief drinnen – wo immer das sein mag – vermute ich, ist der Mensch dem anderen zugetan und bereit, dessen Kummer und Drangsal zu lindern. Wenn nicht vernagelt von religiösem oder politischem Wahn. Manchmal schwankt die Vermutung, aber sie bleibt grundsätzlich intakt. Auch wahr: Manche sind nicht mehr zu erreichen. Ein stillgelegtes Herz hört nichts. Will nichts hören. Will seine Ruhe.“

 

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Noch ein Hinweis. Ich bekomme regelmäßig von „Ärzten ohne Grenzen (médecins sans frontières)“ Mails, hier die letzte. Vielleicht wollt ihr sie lesen und auf Dr. Chus Bitte eingehen. Schon eine Spende von 10 Euro ist willkommen.

 

Sehr geehrter Herr Altmann,

 


Maryam ist elf Jahre alt und ihr Leben hat sich radikal verändert. Sie wurde bei einem Bombenangriff schwer verletzt, ein Bein musste knapp unter der Hüfte amputiert werden, das andere am Knie. Gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei Schwestern, die ebenfalls Gliedmaßen verloren und schwere Knochenbrüche erlitten haben, kam sie in unser Krankenhaus in Rafah. Wir behandeln dort Patient*innen so gut es uns möglich ist.

Unsere Mitarbeiter*innen versorgen rund um die Uhr Patient*innen in den verbleibenden Krankenhäusern in Gaza, in denen wir arbeiten können. Aufgrund der Blockade müssen wir oft mit begrenzten Hilfsgütern wie Anästhetika, Sauerstoff oder sogar Medikamenten und Hilfsmitteln zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Blutungen auskommen.

Mein Name ist Edward Chu, ich bin Notfallmediziner und war in unserem Krankenhaus im südlichen Gazastreifen, in Rafah, im Einsatz. Mit Ärzte ohne Grenzen habe ich bereits in verschiedenen Konfliktgebieten gearbeitet, doch was in Gaza passiert, ist eine humanitäre Katastrophe, wie ich sie noch nicht gesehen habe.

Das Schlimmste für mich als Mediziner war, dass wir dort vor eine Wahl gestellt werden, die Mediziner*innen nicht treffen sollten: unser eigenes Leben schützen oder verletzte Menschen behandeln und ihr Leben retten.

In Gaza gibt es keinen sicheren Ort für die Menschen und unsere Arbeit.Gesundheitseinrichtungen und medizinisches Personal werden angegriffen. Ich hätte eigentlich in der Notaufnahme eines anderen Krankenhauses arbeiten sollen – das war aber nicht möglich, weil die Gegend ständigem Beschuss ausgesetzt war. Es ist unglaublich herausfordernd, im Gazastreifen humanitäre Hilfe zu leisten.

Unsere Teams müssen daher sehr flexibel sein. Wir operieren komplizierte Kriegsverletzungen, behandeln Verbrennungen, unterstützen Frauen bei der Geburt, stellen sauberes Wasser zur Verfügung und bemühen uns, Hilfsgüter zu den Menschen zu bekommen, die sie so dringend brauchen. Das Rückgrat dieser Nothilfe sind unsere palästinensischen Kolleg*innen, die jeden Tag aufs Neue zur Arbeit erscheinen, obwohl sie nicht wissen, ob sie ihre Familien am Abend wiedersehen werden.

In etwa einem Viertel unserer weltweiten Projekte unterstützen wir Menschen, die in Kriegs- oder Konfliktgebieten leben. Helfen Sie uns mit einer regelmäßigen Spende, diesen Menschen medizinische Versorgung zukommen zu lassen.

Mit herzlichem Dank und freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Edward Chu
Notfallmediziner für Ärzte ohne Grenzen

 

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SWR 3 Podcast mit Kristian Thees, den wir nur einmal auf Erden haben

 

Titel

Die Liebesfähigkeit der Greisi

 

Link

https://www.swr3.de/wir/audio-reihen/die-welt-von-a-bis-a-100.html

 

 

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Salzgitter / 9.3.2024 / 19.30 Uhr

 

Lesung aus:

 

„Morning has broken / Leben Reisen Schreiben“ / Piper Verlag

 

Kniestedter Kirche

Braunschweiger Str. 133

38259 Salzgitter-Bad

 

Reservierungen: Tel 05341 / 8393752 und literaturbuero@stadt.salzgitter.de