Die Fragen stellte Doris Iding
Fragen an Andreas Altmann: Triffst Du Buddha, töte ihn!

YOGA AKTUELL:
Der Reporter Andreas Altmann hat ein Buch über das geschrieben, was auch Buddha selbst seinen Schülern geraten hat: „Triffst du Buddha, töte ihn!“ Was er darunter versteht , erklärt Altmann im YOGA-AKTUELL – Interview.

D.I.: Kannst du Dich dem Leser bitte in drei Sätzen vorstellen – besonders hinsichtlich der Idee, das Buch „Triffst Du Buddha, töte ihn!“ zu schreiben.

AA: Die erste Satz: Hier wird eine hehre Antwort erwartet. 2. Satz: Die habe ich nicht. 3. Satz: Ich muss Geld verdienen.

D.I.: Du hast geschrieben, dass Dir der Buddhismus ein Anliegen sei. Was genau fasziniert Dich an ihm?

AA: Na ja, „Anliegen“, das ist mir zu pompös, so steht es auch nicht im Buch. Ich mag den Buddhismus, aus verschiedenen Gründen, der wichtigste: Kein Herrgott tritt auf und niemand muss ihm zuliebe in den Himmel winseln. Der zweitwichtigste: Er mahnt zu Mitgefühl. Drittens: Übernimm Verantwortung für dein Leben, sprich, höre auf zu greinen und nach Sündenböcken zu suchen.

D.I.: Was mir sehr gut gefallen hast ist, dass Du den Buddhismus nicht glorifizierst, sondern auch auf wenigen Seiten aufführst, wo er blutige Spuren hinterlassen hat – und das sind nicht wenige. Was stört Dich am Buddhismus – oder gibt es sogar etwas, was Dich an ihm abstößt?

AA: Warum denn glorifizieren, der Buddhismus – wie jede andere Idee auf Erden auch – ist via Menschen in die Welt gekommen. Und alles, radikal alles, darf, nein, muss kritisiert werden. Sonst landen wir im großen Gatter der Schafe, wo der große Haufen schon hurtig blökt. Seit Jahrtausenden – unbelehrbar von aller Vernunft – blökt.

D.I.: Du beschreibst in dem Buch so schön, dass Du auf der Suche nach einer Technik bist – zumindest damals warst –, die Dir und anderen mehr Glück ins Leben bringt. Hast Du im Buddhismus eine solche Technik gefunden?

AA: Ich bin kein Fachmann, ich habe den Buddhismus nicht studiert, habe jedoch vor langer Zeit acht Monate in einem japanischen Zenkloster gelebt. Meine Technik ist idiotensicher: Auf einem Shoggi sitzen, Rücken gerade, den Atem beobachten, ihn zählen. Fliege ich raus, weil ich einmal mehr an nackte Frauen denke, dann wieder von vorn anfangen. Ohne Gedöns, ohne Vorwürfe.

D.I.: Du beschreibst auch die Teilnahme an einem Retreat. Was hast Du dort für Dich gefunden?

AA: Ich verweigere grundsätzlich Dreizeilen-Antworten für Erfahrungen, die mich unendliche Zeit und unendliche Mühe gekostet haben. Zudem glaube ich nicht daran, dass man so haarscharf beschreiben könnte, was man „da“ findet. Vieles bleibt halb- oder unbewusst, kommt erst über die Jahre zum Vorschein. Mir ist jede/r verdächtig, der hinterher seinen Buchhalterbericht abliefert. Zudem bin ich ein Fan von Jean-Luc Godard: „Lass die Dinge bisweilen ohne Namen“, vulgo: Mund halten.

D.I.: Was war für Dich die tiefste Erfahrung während einer Meditation?

AA: Auch da kann ich leider nicht aushelfen. Woher soll ich das wissen, wie man „tief“ und „tiefer“ und „am tiefsten“ festlegt. Um aber alle Welt zu beruhigen: Ich wurde nicht erleuchtet, auch die so pathetisch, leicht schwachsinnig immer wieder angekündigte „Wesensschau aller Dinge“ ist mir nicht gelungen, eher die Einsicht, dass „Erleuchtung“ ein ähnlich spiritueller Hokuspokus ist wie eine Jungfrau, die der heilige Geist – geschlechtsteilelos – geschwängert hat. Beim ZaZen geht es mir wie den meisten: Es gibt Arschtage, da komme ich nicht rein, bin genervt und hochgradig nervös, und es gibt die herrlichen Minuten, in denen ich selig schwebe, versöhnt bin, leicht bin, nicht schon wieder an der Menschheit verzweifle.

D.I.: Du beschreibst auch immer wieder Szenen, in denen Du kiffst und das so schön beschrieben, dass man am liebsten mit dabei gewesen wäre. Wo liegt für Dich der Unterschied zwischen Einnahmen von Substanzen und Meditation?

AA: Nein, ich kiffe nicht, und wenn, dann selten, dann aus Freundlichkeit dem Gastgeber gegenüber. Ich mag die harten Drogen. Dazu aber keine Details. Der Unterschied? So einfach: via Meditation käme ich nie und nimmer in die Euphorien, die Drogen versprechen und – halten. Aber hierfür muss der Mensch erwachsen sein, innerlich stark, verantwortlich, sein Maß kennen. Die meisten sind weder das eine noch das andere, deshalb Finger weg, sie würden nur in Teufels Küche landen.

D.I.: Du hast eine spitze Feder, schreibst – in meinen Augen – Sätze für die es sich zu leben lohnt und hast aber auch keine Scheu, deinen Lesern aus dem Westen schon mal einen ziemlichen Seitenhieb zu versetzen. Sehen wir Westler den Buddhismus zu idealistisch?

AA: Wie Westler ihn sehen, ich weiß das nicht so genau. Ich glaube, die meisten haben so wenig Ahnung davon wie ich. Man müsste sich jahrelang mit ihm auseinandersetzen, wer macht das schon?

D.I.: Was geht Dir bei der deutschen / westlichen spirituellen Szene so richtig auf die Nerven.

AA: Die selig Ergriffenen, das erhabene Getue, das hochheilige Geschwatz von „alle Menschen sind Buddha“, der kindliche Nonsens von der Wiedergeburt (so nonsensig wie der christliche Fegefeuer- und Höllenschlund), die gefährliche Nähe zur Esoterik. Ich schenke jedem, auch ungefragt, den weisesten Satz meines Zenmeisters: „Just stay fucking normal.“

D.I.: Der Satz „Töte den Buddha“ kommt aus dem Buddhismus. Was bedeutet er für Dich persönlich?

AA: Dass man jeden „Master“ eines Tages „töten“ soll, natürlich im übertragenen Sinn, sprich, irgendwann muss man erwachsen werden, sprich, ohne Meister, ohne Therapeuten, ohne Krücken, ohne „Aber der hat doch gesagt ….“ durchkommen, sprich, ohne das debile Nachplappern von Sätzen, die ein anderer von Urzeiten mal gesagt hat, genauer formuliert: gesagt haben soll. Manche Sätze halten die Jahrhunderte aus, andere nicht, sie gehören auf den Misthaufen.

D.I.: Glaubst Du, dass wir ganz ohne Lehrer / Guru ans Ziel kommen?

AA: Ein Lehrer ist toll, Himmel, wir alle lernen von anderen. Ich verdanke vielen vieles. Aber der beste Lehrer wird dich eines Tages auffordern, ihn zu verlassen und deinen eigenen Weg zu gehen.

D.I.: Welche Gestalten / Lehrer aus dem Buddhismus haben Dich persönlich besonders inspiriert?

AA: Am hinreißendsten fand ich schon immer IKKYU SOJUN, einen Dichter und Zenlehrer aus dem 15. Jahrhundert, der sich mit der heuchlerischen Zen-Aristokratie seiner Zeit anlegte, ja, tatsächlich – grandios – behauptete, dass eine Liebesnacht mit einer Frau mehr zur Erleuchtung beitrüge als alles inbrünstige Herumgehocke im Tempel. Er wurde 88 und das Gerücht geht um, dass er als glücklicher Mensch gestorben ist.

D.I.: Wenn Du die Möglichkeit hättest, mit einem indischen Heiligen oder mit einer indischen Gottheit eine Woche in den Bergen zu verbringen, wer wäre es?

AA: Haha, was für eine Frage, Himmel, ich weiß nichts von „Heiligen“, weder von katholischen noch indischen. Die „Heiligen“, die ich in Indien traf, waren bisweilen ausgefuchste Halunken, überirdisch scheinheilig. Und mit einer „indischen Gottheit“ soll ich über die Berge wandern? Haha, die haben wir auch nicht. Aber angenommen, nur Spiel, es gäbe sie tatsächlich, dann wäre ich mit Ganesha, dem Elefantengott, unterwegs. Er ist ein bisschen dicklich, hat Humor, ist lustig, traut sich, nascht gern und hat sich einen Namen als „begnadeter Tänzer und beweglicher Liebhaber“ gemacht. Mit ihm zöge ich gern um die Ecken, ich würde ihm bei allem zusehen, alles fleißig notieren und hinterher noch fleißiger üben.

D.I.: Und was würdest Du Dir erhoffen, in dieser Woche zu erfahren?

AA: Freude, Kichern, einen noch höheren Kontostand, noch mehr Ruhm, die „fugenlosen Wörter“ finden für mein Mexiko-Buch (das ich gerade schreibe), lächelnde Frauen, lächelnde Männer, Eleganz, das Verschwinden meiner Rückenschmerzen, weniger Religion, mehr Verstand, weniger Götzendienst, mehr emotionale Intelligenz, uff, so viele Sehnsüchte, du siehst, ich bin schon wieder größenwahnsinnig. Sorry, das ist genetisch bei mir. Haha.