Ihr Lieben,

seid dankbar, ich habe euch wochenlang geschont. Jetzt ist die Schonzeit vorbei.

Hier ein kleiner Auszug aus „Sehnsucht Leben“, die Szene passiert in Schanghai.

„…Chinese sein in China ist nicht lustig. Überall in der Stadt verteilt stehen Schaukästen, in denen die Fotos von Übeltätern ausgestellt sind. Name, Alter, Anschrift, Protokoll der Missetat und die (drakonische) Züchtigung.

       Für niemanden lustig. Ich treffe insgesamt vierzehn meist junge Männer, die davonwollen. Sie sprechen mich an und unterbreiten mir ihre Fluchtpläne. Glauben sie doch, ich wüsste einen Weg hinaus. Sie brauchen Geld, ein Flugticket und gefälschte Papiere. So kaufen sie Dollar (auch meine) auf dem Schwarzmarkt und verkaufen sie mit ein paar Cents Gewinn an ihre Auftraggeber. Andere haben Abnehmer für ihre aus Hongkong eingeschmuggelten Pornohefte. Bringt ebenfalls Cash. Langsames Cash, da Kleingeld. Bis genug Bündel vorhanden sind, können Jahre vergehen. Immer wieder verblüffend, welche Anziehungskraft der verteufelte Westen auf viele in diesem Land ausübt.

       Nervös wurde ich nur bei Wen-chou. Der Kerl traut sich. Ich streife durch das alte Franzosenviertel, als ich plötzlich eine verhaltene Stimme höre: »You smoke?« Es ist halb zwölf, und in der Straße brennt kein Licht. Ich brauche einige Sekunden, um den Schatten an einer Haustür auszumachen. Der Schatten winkt, ich folge. Er geht mit einer Taschenlampe voraus in ein Hinterzimmer, schließt sorgsam beide Türen.

      Gut so. Als er das Licht einschaltet, sehe ich zwei Dutzend Koffer, säuberlich gestapelt. Wen-chou legt den Finger auf die Lippen, ich soll keinen Laut von mir geben. Wie eine Katze bewegt er sich zwischen den großen, uralten Gepäckstücken. Bis er findet, was er sucht, das Teil öffnet, einen fußballgroßen (!) Klumpen herausholt und ihn zerschneidet. »Haschisch«, sagt er trocken. Er reicht mir ein Stück, ich soll riechen, soll prüfen. Riecht gut, mehr lässt sich auf die Schnelle nicht sagen. Ob gestreckt oder nicht, keine Ahnung.

     Der wahnsinnige Wen-chou. Wie stellt er sich den Deal vor? Dass ich ihm die geforderten 800 Dollar (ein Witz!) zahle, den Stoff per Plastiktasche zum Hotel trage, den Brocken drei Tage später in meinen Rucksack packe und damit unbeschwert lächelnd durch die Sicherheitskontrolle am Flughafen spaziere?

    Greift das berüchtigte »Public Security Office« ein, dann habe ich Glück, wenn ich in zehn Jahren zurück nach Europa darf. Und Wen-chou hat Glück, wenn er dafür keinen Genickschuss kassiert. Für lumpige 800 Dollar sein Leben riskieren, unheimlich. Ich mache mich davon, auf leisen Sohlen und in höchster Eile. Ich schlafe unruhig.

 

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Jetzt der Irrsinn auf Erden.

 

Ihr habt es sicher schon gehört, unsere Bundeskanzler, Herr Merz, der christliche, will seinen Spezi Benjamin Netanyahu, unseren „Bibi“ und international zur Fahndung ausgeschriebenen Kriegsverbrecher, sprich, den real existierenden Schreibtischmassenmörder – inzwischen über 56 000 in den Tod gebombte Frauen, Kinder und Männer im Gazastreifen – nach Deutschland einladen.

     Nicht zu reden von den 90 Prozent pulverisierten Wohnraum in Gaza, nicht zu reden vom inszenierten Aushungern der Bevölkerung, nicht zu reden von ausgebombten Krankenhäusern und Schulen, nicht zu reden von den in Schutt und Asche gelegten Wasserzisternen, Reservoirs und Pipelines, nicht zu reden von dem übermonströsen, erbärmlichen Mangel an Achtung vor dem menschlichen Leben, nicht zu reden von all dem. Denn all das wurde bereits von der UNO, von Human Rigths Watch, von der BBC, von Amnesty International und und und knallhart dokumentiert.

     Ich finde, das hat was, Deutschland bleibt sich treu. Es ist das einzige Land in der Menschheitsgeschichte, das zwei Völkermorde geschafft hat. Warum also nicht noch ein bisschen mithelfen bei einem aktuellen Völkermord: indem es noch immer „sonstige Rüstungsgüter“ an Bibi liefert.

    Merz, der christliche, will auch in Kauf nehmen, dass die Bundesrepublik den unterschriebenen IStGH-Vertragsstaat bricht, also, vertragsbrüchig wird. Diese Unterschrift verpflichtet Deutschland dazu, unseren Bibi, sobald er deutschen Boden betritt, zu verhaften und nach Den Haag zu überstellen. Das soll den Merz, den christlichen, nicht kümmern. Gewiss auch nicht unseren teuerst bezahlten Frühstücksdirektor und Grüß-Gott-Onkel, den sozialen Herr Steinmeier, davon abhalten, mit Bibi aufs Foto zu wollen und unauslotbar zynisch und gut gelaunt in die Kamera grinsen.

Schon klar, Netanyahu mordet nicht, weil er Jude ist. Er mordet, weil er krank im Kopf ist, weil er seit Jahrzehnten sein Herz in Eis badet. Wie andere Massenmörder, ob Moslem oder Christ.

Die moralische Verwahrlosung aktueller, weltweiter Politik hat einen erstaunlichen Höhepunkt erreicht.

 Ach ja, den Aktionären von Rheinmetall will ich noch ein Lob aussprechen, sie wissen, wie man mit Blut Kohle macht. Rheinmetall arbeitet fleißig mit israelischen Rüstungspartnern zusammen, sprich, bei jedem Toten im Gazastreifen klingelt die Kasse. Bravo.

Klar, nie das Urverbrechen vergessen: Seit bald 80 Jahren mordet und vertreibt der Staat Israel – mit Hilfe der Armee und den hassspeienden Kolonisten – das palästinensische Volk. Gängelt es, erniedrigt es, raubt ihm das Land, vernichtet seine Häuser, vernichtet seine Felder, vernichtet seine Ernte, vergiftet seine Brunnen, stiehlt ihm das Wasser, lässt die Pitbulls los, verjagt es. Zudem praktiziert „die einzige Demokratie im Nahen Osten“ die sogenannte „Administrativhaft“, das heißt: Jeder Palästinenser, der verhaftet wird und Pech hat, hört nie eine Anklage, bekommt nie einen Prozess, nie einen Anwalt, darf keine „Beweise“ einsehen, darf aber jahrelang in israelischen Zuchthäusern vegetieren. In denen, so war kürzlich in der LE MONDE zu lesen, rechtschaffen gefoltert wird.

 

Zur Vollständigkeit: Alles, was Israel in den palästinensischen Gebieten seit knapp drei Generationen tut, das alles ist gegen jedes internationale Recht. Dass soll Leute, die fest daran glauben, dass ihnen der Herr Herrgott das Land geschenkt hat, nicht kümmern.

 

So, ihr Lieben, das wars. Natürlich weiß ich, dass keine einzige Zeile irgendeinem Irren in seinem Irrsinn bremst. Vor ein paar Tagen las ich, wieder in der LE MONDE (nicht in der Bildzeitung, sondern in einer der angesehensten Zeitungen der Welt), dass sich die zuständigen Verbrecher nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre Verbrechen zu rechtfertigen. Sie haben die Bombe, sie brauchen keine weiterein Argumente. Und sie haben ihre „Verbündeten“, die ihnen in den (mörderischen) Arsch kriechen.

Herzlich, Andreas.